Ginu Kamani
Junglee Girl (Kurzgeschichten) Fretz & Wasmuth, Bern (1999), Fischer TB, Frankfurt (2006)
Sinnliche Kurzgeschichten aus Indien
„Eine westlich gekleidete junge Inderin sitzt im überfüllten Zug, ihr gegenüber eine Mutter mit drei kleinen Kindern. Die Frauen mustern sich gegenseitig. Die etwas füllige Mutter trägt den traditionellen Sari und das rote Zeichen dicht unter der langen üppigen Haarpracht zeugt von einer glücklich-unter-die-Haube-gebrachten Frau. Diese wiederum erfasst mit einem Blick die Kurzhaarfrisur, das moderne Kleid und die ringlose Hand ihres Gegenübers. Die gegenseitige Taxierung hat begonnen.
Als die Mutter ihre Kinder in einem indischen Dialekt mit den Kosewörtern ‚Esel’, ‚Idiot’ und ‚Hammel’ zurechtweist, erinnert sich die Heimkehrerin ihrer glücklichen Kindheit in Indien und kann ein Lachen nicht verkneifen. Darauf wird sie inquisitorisch ausgefragt, woher sie stamme und welcher Volksgruppe sie angehöre. Kann eine kurzhaarige, westlich gekleidete ledige Frau wirklich eine echte Inderin sein?
In Junglee Girl, was soviel wie unbezähmbares oder wildes Mädchen bedeutet, treffen Tradition und Moderne aufeinander, prallen aneinander ab und ziehen sich an. Die in Indien und den USA aufgewachsene Autorin versteht es in leichtflüssiger witziger Sprache die verschiedenen Lebensweisen der heutigen jungen Inderinnen humorvoll aufzuzeichnen.“
Regula Schraner