Auf der Suche nach Chet Baker

Bill Moody

(Looking for Chet Baker) Unionsverlag Zürich 2004, 2005, 2012
Delta Music AudioBooks 2006, Hörspiel 2016, Digital 2019

Ein Fall für Evan Horne (4)
Jazzpianist Evan Horne untersucht Chet Bakers mysteriösen Tod in Amsterdam. Kriminalroman mit authentischem Hintergrund

„Die Beschreibung seiner Auftritte in Clubs von London oder Amsterdam geben dem Buch einen geradezu swingenden Rhythmus, selten wurde Musik literarisch so gut dargestellt.“


sz, Schwäbische Zeitung, 1. 6. 2004

„Authentische Hintergründe und wahre historische Ereignisse bieten den Rahmen für seine spannenden Krimis, die bei weitem nicht nur Jazzfreunden jede Menge Unterhaltung bieten …. Bis in die letzten Szenen ist der auch sprachlich hochklassige Krimi packend, konkret und glaubwürdig.“

Tobias Böcker, Jazz Zeitung, 1.6. 2004

Sein Tod ist eines der großen Mysterien der Jazzgeschichte: Im Mai 1988 stürzte der Trompeter Chet Baker aus dem Fenster eines Amsterdamer Hotelzimmers. Ein Tod, der die Musikwelt nachhaltig erschütterte, denn der 58jährige galt als einer der besten, wenn nicht als der beste Trompeter der Jazzgeschichte schlechthin. Ist Chet Baker eingeschlafen und gefallen? Wurde er auf die Straße gestoßen? Oder ließ er seinen Depressionen freien Lauf und stürzte sich selbst in die Tiefe? Das sind die Fragen, die Jazzfans seitdem beschäftigten. Für jede Variante gibt es Indizien, aber keine Beweise – und das macht den Fall Chet Baker zu einem perfekten Stoff für den amerikanischen Kriminalschriftsteller Bill Moody. Mit seiner Serie um den ehemaligen Jazzmusiker und unfreiwilligen Ermittler Evan Horne arbeitet der 63jährige, der selbst lange als Schlagzeuger sein Geld verdient hat, die dunkle Seite der Jazzgeschichte literarisch auf.

Nach Europa verschlägt es den Detektiv wider Willen in “Auf der Suche nach Chat Baker”, weil er sich von seinem letzten Fall eigentlich erholen will. Evan Horne nimmt ein Engagement in London an, dann wird er nach Amsterdam verpflichtet. Und da beginnen die Probleme. Ace Buffington, ein alter Freund, befindet sich “zufällig” ebenfalls in der Stadt. Der Wissenschaflter arbeitet an einem Buch über den Tod von Chet Baker und will Evan Horne für seine Ermittlungen gewinnen. Evan lehnt ab; er hat vom Detektivspielen die Nase voll. Aber dann verschwindet Ace spurlos – und es gibt nur eine Chance, ihn zu finden: Den Spuren des 15 Jahre zuvor verstorbenen Chet Baker zu folgen, auf dessen Fährte Ace sich befand. Und so wird Chet Baker auch für Evan Horne ein aktueller Fall. Zusammen mit dem schwarzen Saxophonisten Fletcher Paige, der in Amsterdam lebt, macht er sich an die Ermittlungen.

Zwischen Jazzmusik und Kriminalliteratur gab es immer eine Schnittmenge, selten war sie so groß wie in den Büchern von Bill Moody. Sehr gewitzt und handwerklich versiert verbindet dieser Autor musikhistorische Fakten mit Krimielementen so, dass man seine Geschichten als fundierte Sachbücher und zugleich als gelungene Unterhaltungsromane lesen kann. Genau so funktioniert auch “Auf der Suche nach Chat Baker”: Einerseits erzählt dieser Roman alles, was es über Leben und Musik von Chat Baker zu wissen gibt; andererseits bietet er einen lesenswerten Krimiplot. Trotz aller Erzählkunst, trotz aller thematischen Spannung ist dies naturgemäß ein stark konstruierter Ansatz. Dass “Auf der Suche nach Chet Baker” dennoch ein richtig guter Kriminalroman ist, liegt in der Person des Autors begründet: Ganz unverkennbar, dass Bill Moody selbst Jahrzehnte lang mit den Größen des Jazzgeschäfts gearbeitet hat – und dass diese kulturgeschichtliche Untersuchung im Ton der Unterhaltungsliteratur für ihn eine ganz persönliche Angelegenheit ist. Wie klug und warmherzig Bill Moody seine Chet Baker-Story in den Charakteren der Geschichte spiegelt, das macht die Qualität seines Buches aus. Da spielt es keine Rolle, dass Evan Horne letztlich nicht alle Fragen seines aktuellen Falles erschöpfend beantworten kann.

Chettie Dead They Say

13. Mai 1988, Amsterdam, Niederlande. Der weltberühmte Jazz-Trompeter Chet Baker liegt tot unter dem Fenster seines Hotelzimmers. Das ist das Ende der einen Legende und der Beginn einer neuen: War es Mord, Selbstmord oder ein Unfall, der dem Mann das Leben kostete?

… in Amsterdam. Horne quartiert sich ein in Chet Bakers letztem Hotel – von Buffington jedoch findet er nur eine Nachricht vor, die ebenso verwirrend wie alarmierend ist. Nun hat er den Fall doch, denn indem er seinem Freund nachspürt, ist er „nebenbei“ auf Chet Bakers Spuren. – Sie führen ihn auch in das Amsterdam der späten 80er Jahre, als das sozialstaatliche Quartiersmanagement den Zeedijk noch nicht gesäubert hatte vom Morast aus Schwerstkriminalität, Menschenhandel, Drogenhandel mit dem härtesten Stoff in ganz Europa und jeder anderen Sauerei. – Da musste Chet Baker hin in jener Nacht und es war sehr dringend. Mit letzter Kraft kauft er ein und findet gerade noch ein Hotel, wo er sich endlich die Mischung aus Heroin und Koks auf die Spritze ziehen kann. Die Droge rauscht ein paar Sekunden durch Blut, Hirn und Herz, und jetzt kommt Ruhe in seinen zerrütteten Leib, den wunden Kopf. Er setzt sich auf die Fensterbank, genießt vielleicht die kühle Nachtluft und winkt einer jungen Radlerin zu, die er vorn am Kanal kreuzen sieht. Dann fällt er aus dem Fenster.

Der Amerikaner Bill Moody hat bisher fünf Romane um den Jazzpianisten und Gelegenheitsdetektiv Evan Horne geschrieben, drei davon liegen auf Deutsch im Unionsverlag vor. Übersetzt hat die Bücher Anke Caroline Burger und sie hat hervorragend gearbeitet. Was gibt es besseres, schöneres über einen solchen Text zu sagen als dass ich mittendrin aufgesprungen bin und erstmal in alten Platten kramen musste bis ich den richtigen Sound für den Stoff hatte? – Burger hat den Swing übersetzt und der Groove stimmt. Nachsatz: Am 23. Dezember 2004 würde Chet Baker seinen 75. Geburtstag feiern. Dass er ihn verpasst, ist die eine Sache. Die andere ist, dass ich mich am fraglichen Donnerstag gleich nach Einbruch der Dunkelheit in meine Winterdecken wickle und „Let’s Get Lost“ höre. Soviel steht fest.

Gerd Friedrich Marenke, Kaliber 38, 2004